Einblick in ein anderes Bildungssystem mit Erasmus+

Das Programm Erasmus+ eröffnet nicht nur Schüler zahlreiche Möglichkeiten, Erfahrungen im europäischen Ausland zu sammeln, sondern auch Lehrkräften. So verbrachte die MPG-Lehrerin Aïsha Hellberg im März gute zwei Wochen am Collège Pierre-André Houël in Romainville bei Paris. Hier schildert sie einige ihrer Erfahrungen:

Das Praktikum hatte mehrere Zielsetzungen: natürlich sollte es mir vor allem ermöglichen, meine sprachlichen Fähigkeiten als Französischlehrerin in einem französischsprachigen Umfeld aufzufrischen und mein Wissen über das Gastland, seine Kultur und vor allem auch sein Bildungssystem zu erweitern. Darüber hinaus ging es jedoch auch um unterrichtliche Fragen, konkret um Fremdsprachendidaktik, also die Frage, wie man eine Fremdsprache vermittelt, vor allem unter dem Einsatz digitaler Medien.

Konkret bedeutete dies vor allem, dass ich den Unterricht der verantwortlichen Lehrkraft an der Gastschule, einer französischen Deutschlehrerin, hospitierte und mich im Team-Teaching einbrachte. Außerdem hospitierte ich auch die Sitzungen, die sie als Ausbildnerin künftiger Lehrkräfte an der Universität in Créteil hält, und brachte mich ein, indem ich den künftigen Deutschlehrkräften sowohl das deutsche Schulsystem sowie meine Tätigkeit als Lehrkraft in Deutschland als auch die Möglichkeiten von Erasmus+ vorstellte. Darüber hinaus konnte ich auch bei Kollegen in anderen Fächern wie in Französisch und Kunst hospitieren. Außerdem nahm ich an allen in der Zeit angesetzten extracurricularen Veranstaltungen teil, wie den Klassenkonferenzen oder auch der Trimesterzeugnisübergabe, zur der die Eltern mit den Kindern in die Schule kommen und die unserem Elternsprechtag ähnelt.

Der Zufall wollte, dass mein Job-Shadowing zu einem Zeitpunkt stattfand, der von Streiks gegen aktuelle Reformen im Bildungssektor geprägt war. Unter anderem richteten sich die Proteste gegen die von Attal angekündigten „classes de niveau“, also Niveaugruppen, in die die Schüler in Fächern wie Französisch und Mathematik eingeteilt werden sollen. Große Teile der Lehrkräfte stehen dieser Selektion kritisch gegenüber und sehen beispielsweise die Gefahr einer Stigmatisierung und sozialen Spaltung. Aus einem Bundesland kommend, das insgesamt für die Klassen 5-9 ein deutlich selektiveres Schulsystem praktiziert, war der Austausch mit den französischen Lehrkräften und Eltern für mich hier sehr interessant.

Neben den zahlreichen schulischen Aktivitäten blieb auch Zeit, von dem reichen kulturellen Angebot Paris‘ zu profitieren – durch Besuche in Ausstellungen und Theatern sowie ausgedehnte Spaziergänge durch die Stadt.

Über die interessanten Beobachtungen, z.B. hinsichtlich Differenzierung in heterogenen Lerngruppen oder der Aufgaben des „vie scolaire“ (einer Art pädagogischer Abteilung, die sich um alles kümmert, was nicht den Unterricht selbst betrifft) hinaus trug das Job-Shadowing vor allem auch zu einer Intensivierung der Kooperation mit der Gastschule bei, mit der seit vielen Jahren eine Zusammenarbeit, z.B. in Bezug auf Briefaustausche besteht.

Aïsha Hellberg