Zwei Köpfe der Weimarer Republik

Besuch von Prof. Dr. Bernd Braun aus Heidelberg

„Wie oft passen eure Lebensjahre in 100 Jahre…? Seht ihr, die Geschichte der Weimarer Republik ist gar nicht so weit weg!“ Am vergangenen Montag, den 22. April 2024 hatte der Geschichtsleistungskurs der JS1 die Ehre, Herrn Professor Doktor Bernd Braun dank einer großzügigen Förderung des Projektes „100 Köpfe der Demokratie“ (Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heus-Haus) im Nachmittagsunterricht begrüßen zu dürfen. Bernd Braun ist Geschäftsführer und Vorstandsmitglied der Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte aus Heidelberg. Mit einem reichen Quellenschatz im Gepäck brachte er den Lernenden zwei zentrale Persönlichkeiten der deutschen Demokratiegeschichte, Friedrich Ebert und Rosa Luxemburg, näher und ließ sie im Klassenzimmer lebendig werden.

Zu Beginn der Veranstaltung wurde die Lerngruppe vor das Problem der äußerst dünnen Quellenlage gerade zu Eberts Person gestellt. Die sich daraus ergebende Notwendigkeit, die wenigen erhaltenen, in ihrer Quellenart jedoch vielfältigen Zeugnisse des ersten Reichspräsidenten der Weimarer Republik besonders sorgfältig unter die Lupe zu nehmen, brachte der Jahrgangsstufe 1 das Arbeitsfeld von Historikerinnen und Historikern im Sinne der Berufsorientierung näher. Mit einem Blick fürs Detail wurden Fotografien, Reden in Ton- und Schriftform, Zeitungsanzeigen und Karikaturen aus dem reichen Quellenfundus von Professor Braun gemeinsam analysiert.

Die Räumlichkeiten der Stiftung in Heidelberg selbst, die im Geburtshaus Eberts beheimatet sind, bildeten die erste Station auf der quellengestützten Reise des Kurses in die Vergangenheit. Anhand von Fotografien des historischen Ortes, an welchem Ebert auf engstem Raum mit seinen Eltern und seinen acht Geschwistern „in proletarischen Verhältnissen“ aufwuchs, stellte Braun die niedrige Herkunft und die in den Quellen immer wieder erkennbare Bodenständigkeit des Sozialdemokraten in den Fokus des Nachmittags.                    

Anhand der einzigen von Ebert erhaltenen Tonbandaufnahme anlässlich einer Rede vor der Nationalversammlung 1919 wurde der Topos des demokratischen Sprechens im Sinne einer zivilen, mit argumentativen anstatt manipulativen rhetorischen Mitteln geprägten Sprache untersucht, den Braun kontrastierend dem Beispiel der Rhetorik des NS-Propagandaleiters Goebbels gegenüberstellte, die sich im Gegenteil durch befehlsartige militärische Aussprache, manipulative Mittel und einen pathetischen Grundton auszeichnet.

Am Beispiel der Geschichte der Weimarer Republik kamen die Schülerinnen und Schüler des Leistungsfachs ins Nachdenken über ein neues Verständnis von politischer Macht und politischer Kultur, das sich mit der Gründung der ersten deutschen  Weimar in der neuen parlamentarischen Demokratie herausbildete. Denn: Ebert war der „Mann im Straßenanzug“, er war ein „Umstürzler“, und er sprach „wie ein Zivilist“. Rosa Luxemburg, als eine der politisch einflussreichsten Vertreterinnen der Arbeiterbewegung und des Marxismus trat in ihren Schriften und politischen Reden deutlich radikaler auf. Auch die Lahrer Stadtgeschichte hält mit Frieda Unger, eine prominente sozialistische und kommunistische Politikerin bereit, die nicht selten als die „Lahrer Rosa Luxemburg“ bezeichnet wurde. Eine Zuschreibung, den die Lernenden gemeinsam mit ihrem Geschichtslehrer Florian Hellberg unbedingt auf ihre Triftigkeit noch überprüfen werden. Aber nicht nur zu Frieda Unger, sondern vor allem auch aufgrund des Friedrich-Ebert-Platzes in der Nähe zur Altstadt lassen sich Verbindungslinien dieser beiden zentralen Köpfe deutscher Geschichte in die rezente Erinnerungs- und Geschichtskultur Lahrs ziehen.

Braun gelang es, vom Kleinen, von den Details der Quellenlage, zum Großen, zur Einzigartigkeit und Neuartigkeit der Weimarer Republik zu gelangen und dem Leistungskurs diese besondere Zeit greifbarer zu machen. Da sich der Kurs im Regelunterricht derzeit mit der Gründungsphase der Weimarer Republik beschäftigt, stellte Brauns Beitrag eine wunderbare Ergänzung der Lerninhalte dar und dürfte sich als lebensnahes Beispiel zweier „demokratischer Köpfe“ tief in die Gedächtnisse und geschichtlichen Vorstellungsräume der Lernenden eingebrannt haben.

Der Leistungskurs Geschichte und das Max-Planck-Gymnasium Lahr bedanken sich herzlichst für Herrn Brauns fachkundigen Besuch und diesen gemeinsamen Ausflug in die Vergangenheit – an einem Montagnachmittag in Lahr.

Clara Schwarz