Literatur-AG beim Poetry-Slam
Nachdem sie Ende des letzten Schuljahres bei einem Workshop mit dem Slam Poeten und Moderator Marvin Suckut Einblicke in das Schreiben von Poetry Slam-Texten erhalten durften, besuchte die Literatur-AG den von ihm moderierten Slam im Schlachthof in Lahr. Acht Poeten traten auf und präsentierten dem Publikum ihre mal heiteren, mal ernsten Texte zu Themen wie dem Wörtchen „eigentlich", Beziehungsstreitigkeiten, einer Reise nach Paris und den Preise dort sowie sozialen Angststörungen. Auch eine Max-Schülerin trat auf: Annika Walter, die ebenfalls im vergangenen Schuljahr an dem Workshop der Literatur-AG teilnahm, feierte mit ihrem gleichzeitig witzigen wie nachdenklichen, anspielungsreichen Text „Highway to Hell" ihr Bühnendebüt.
Annika Walter: Highway to Hell
Der Sensenmann ist düster,
das Gesicht verhüllt, lange Kutte,
Sense in der Hand, mit dem Boot fließt er
über den Jordan.
Und wenn keine Kundschaft da ist, holt er sie zu sich,
also legt schön die Münzen auf die Augen,
er will bezahlt werden.
Seine Aufgaben sind das Leben auszusaugen,
uns ins Reich des Todes zu bringen,
wenn er aus dem Schatten tritt
und beginnt, dir das Lied vom Tod zu singen,
er tritt heran, unkenntlich,
macht keine Schritte, scheint zu fließen
und er spricht nicht,
er raunt.
Langsam und leise,
denn er hat alle Zeit der Welt- anders als wir
er, als Guide der letzten Reise
ohne das Gesicht zu sehen, du weißt, dass er in deine Seele stiert.
Aber vielleicht hat er auch ein Gesicht,
ich hätte einige parat,
vielleicht sieht jeder was anderes, vielleicht sich,
vielleicht nen Totenkopf, ne Clownsmaske,
Frankensteins Monster oder die Person, die man am meisten hasste?
Aber warum eigentlich nicht die Mona Lisa,
vielleicht das Gesicht der großen Liebe?
Wieso muss der Sensenmann dieser
Schrecken sein, dieser aller schlimmste der Diebe?
Ich glaube, er ist eigentlich ganz okay.
Er macht doch auch nur seinen Job.
Und ich glaube, dass ich das ganz richtig seh,
ich denk er schleicht nicht rein,
sondern klopft.
Späht ganz höflich herein,
stellt sich vor mit den Rolling Stones
sagt:
„Please allow me to introduce myself, I‘m a man of wealth and taste.“
Vielleicht lacht er sogar, pfeift highway to hell, nimmt sich den ersten Teil seines Lohns,
(wie gesagt, er macht nur seinen Job)
Erklärt dir, dass er dich einlädt, wie du weißt,
auf sein gemütliches Boot,
„nicht groß aber mir gefällts.“
Vielleicht entschuldigt er sich, nicht aufgeräumt zu haben,
wird unter der Kutte ganz rot.
Ich glaube er fragt auch wie man abtreten will.
Und er würde sich so sehr freuen, wenn endlich mal jemand die Variante
TOTLACHEN wählt,
denn er hat Gagstau, der ihn noch ins Grab bringen wird.
Er fängt an, bis einen vor Lachen Luftmangel quält:
„Chuck Norris ist eigentlich schon vor 10 Jahren gestorben,
ich konnte nur noch nicht wagen,
es ihm zu sagen.
Und wenn man nicht lacht,
dann, glaube ich,
schämt er sich ein bisschen.
und sagt ganz sacht
„Ohne spaß, ich hab Angst vor dem Typen.“
Er macht weiter,
Totlachen ist sein Lieblingsjob.
Den wählen aber wenige, leider,
denn seine Witze sind nicht immer... gut(?)
Im Katalog hat er auch noch andere Varianten:
Am Pfannkuchen ersticken- ich denke er würde es liebevoll „Crepieren“ nennen,
Gehört übrigens zur umfassenden Kategorie des Erstickens an fleischlosen Lebensmitteln:
„Vor sich hin Veggitieren“.
Für Tanzfans ist auch was dabei,
zu flotter Musik wird man „Einsalsamiert“
Für Rätselfans bietet er „Vier Bilder ein Mord“
Oder lieber die Sitcom Version „How I met your Mörther“?
Wie die aussieht, weiß wohl nur der Sensenmann selbst,
und wenn ich es jemals herausfinde,
dann nur über meine Leiche.
Sein Humor ist ein bisschen schwarz, verstaubt und steif,
das weiß er, aber er wäre so gern lustig,
denk ich,
also sitzt er und wartet, denkt „life is life“
und schmunzelt.
Denn eigentlich ist eher death death. Naja.
Ich glaube er blättert im Witzebuch,
einige versteht er nicht,
findet sie todesunlustig,
wenn jemand kommt, versteckt er es schnell unterm Leichentuch.
Denn was wäre das für ein Image.
Nein, der Höllenhund und Hades,
die dürfen das nicht wissen.
Er wäre gerne lustig
und ist es doch nicht, denk ich,
aber er ist auch nicht gruselig,
und ich glaub das mag er nicht.
Leute haben Angst vor ihm,
aber er will nicht schrecklich sein,
er will sie zum Todlachen bringen,
nicht zum weinen und schrein.
Und die Welt scheint ihn zu fürchten,
aber die Unterwelt ist ihm zu finster,
wenn er nur wüsste,
nicht nur er hat solche Gelüste.
Der Sensenmann liest Witze,
während Hades im Fegefeuer
Shakespeare zitiert.
Kein Scheiß, er steht dann da,
in seinem Todesreich, diesem dunklen Ort
mit Schädel auf der Hand, wenn er dann auch trotzdem scheitert
„Sein oder nicht sein, das ist hier... Verdammt, was war das Wort?“
Wenn die Meuren hereintreten, die drei bösen Schwestern
dann schlägt er das Buch zu,
fängt an monoton über Gott zu lästern,
denn was wäre DAS für ein Image?
Kerberos, der Höllenhund, scheint böse,
klingt böse,
sieht böse aus.
Doch wo böse draufsteht ist hier nur Welpe drin.
Manchmal, mittags, sieht niemand hin
und der eine Kopf wirft dem anderen schnell den Ball zu.
Doch wenn Hades vorbei spaziert,
schaut, ob alles mit schlechten Dingen zugeht,
da kommt es vor, dass der Ball schnell fallengelassen wird,
damit Kerberos nicht als Weichei dasteht
Wenn der nur wüsste, dass die erste der Meuren
während sie euren
Lebensfaden spinnt
in ihrer Fantasie
endlich in nem Streit gegen ihre taffen Schwestern gewinnt.
Doch sie weiß nicht, dass die zweite,
die den Faden misst,
heimlich Jane Austen liest.
Und die dritte, die das Garn schneidet,
über Leben und Tod entscheidet,
(Wenn du dich nicht schon totgelacht hast)
sagt ihren Schwestern, sie braue Gift
während sie eigentlich tanzt,
oder es zumindest versucht
zu „Shake it off“ von Taylor Swift.
Wenn der Sensenmann wüsste,
in welcher Gesellschaft er lebt,
wenn nicht jeder glauben würde er müsste
die Fassade wahren, damit man über allen anderen steht,
wenn er wüsste, dass die Meuren
wahrscheinlich über seine Witze lachen würden
und Kerberos klar wäre,
wie gerne Hades seinen Ball werfen würd.
Wenn er wüsste,
in seinem allein sein,
in welcher unglaublichen
Einsamkeit und Gemeinsamkeit er sich befindet,
sie würden gemeinsame Abende veranstalten,
sich die Herzen wärmen, die großen aber kalten,
wenn sie sich trauen würden, ihre Fassade fallen zu lassen,
aber dafür muss einer sich mutig ein Herz fassen
und der erste sein.