Der Besuch der alten Dame
Das Theaterensemble des Max-Planck-Gymnasiums hat schon über 30 Schauspiele der dramatischen Weltliteratur aufgeführt.
Nun war letzten Donnerstag und Freitag auch Dürrenmatts Alte Dame" in der voll besetzten Aula zu "Besuch", und nach zweieinhalb Stunden waren sich die Zuschauer einig: Spielleiterin Andrea Welz, den zahlreichen jungen Schauspielern und den guten Geistern im Hintergrund ist wieder eine großartige Aufführung gelungen!
Die Handlung ist schnell zusammengefasst: Die Milliardärin Claire Zachanassian besucht ihr Heimatstädtchen Güllen, um sich an ihrem früheren Liebhaber Alfred Ill zu rächen, der sie mit ihrem Kind hatte sitzen lassen. Sie bietet den Güllenern eine Milliarde, wenn sie Ill umbrächten, und hat damit schließlich Erfolg.
In der Titelrolle agierte eindrucksvoll Lisa Wenz. Die versteinerte Monumentalität, in der sie über Güllen thronte und "wartete", sowie ihre wie gefroren klingende, oft doppelbödige Sprechweise verbanden sich mit der seltsamen Grazie der Figur und mit den gegen Ende aufblitzenden Gefühlen der verletzten Frau.
Ähnlich differenziert spielte Tarik Abdou in der Rolle des Alfred Ill. Ihm gelang hervorragend die Wandlung vom jovialen, etwas einfältigen und schmierigen Bürgermeister-Kandidaten zum verzweifelten Todeskandidaten, der schließlich geläutert und demütig sein Schicksal akzeptiert.
Nun begnügte sich die MPG-Truppe nicht damit, die bittere Einsicht: "Mit Geld lässt sich alles kaufen" zu erhärten, sondern sie führte auch subtil differenzierend vor, wie sich die Bevölkerung in makabrer Weise korrumpieren lässt. Den Opportunismus der Dorfhonoratioren, deutlich vor allem im Crescendo des Konsums, spielten eindrucksvoll Friederike Steurenthaler (Bürgermeister), Lidia Wagner (Pfarrer), Stephanie Schüssele (Polizist), Felix Ledinger (Arzt) und Sadik Saman (besonders expressiv als betrunkener Lehrer). Alle laden sie Schulden und Schuld auf sich, ihr verbales Bestehen auf Moral kontrastiert mit dem realen Verfall aller sittlichen Maßstäbe.
Der hintergründige Possenreißer Dürrenmatt hat in seine bittere Parabel auch allerhand grotesk-komische und kabarettistische Elemente eingearbeitet. Sie wurden unter anderem vom Butler (Alina Gavrilov), den unisono sprechen Eunuchen (Erika Fust, Linda Tang) und den Kaugummi-Gangstern (Sebastian Krämer, Raphael Louis) angemessen umgesetzt. Ein spezielles Lob verdient auch Lukas Ruschitzka, der mit der von ihm komponierten Musik an Klavier und Keyboard geschickt Kommendes präludierte oder Steigerungen im Ablauf der "tragischen Komödie" kommentierte.
Die Leistung der Regie bestand nicht nur in der gekonnten Führung der Hauptdarsteller, sondern auch in der einfühlsamen Besetzung der über zwanzig anderen Rollen, deren Darsteller ebenfalls gefallen konnten. Die dezente Aktualisierung des Stückes - Roth-Händle und Grohe wurden genannt -, gewisse Straffungen und manche Stilisierungen überzeugten genauso.
Man darf gespannt sein, zu welchen artistischen Höchstleistungen das MPG in seinem Jubiläumsjahr noch fähig sein wird!
Martin Schwindt
Video-Trailer zum Stück (Film: Florian Schwarz, Musik: Lukas Ruschitzka)