Geschichtskurse besichtigten Gedenkstätte Natzweiler-Struthof
Wer das ehemalige Konzentrationslager Natzweiler-Struthof besichtigt, entdeckt ein dunkles Kapitel unserer deutschen Geschichte. Sich die Zeit für diesen Besuch zu nehmen, ist ein Innehalten im Gedenken an all diejenigen, die in das einzige Konzentrationslager mit direkter SS-Verwaltung auf dem Boden des heutigen Frankreichs – nämlich im annektierten Elsass – deportiert wurden und dort Zwangsarbeit leisten mussten.
Am Morgen des 26. Juni 2025 machten sich die ca. 70 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 1 des Max-Planck-Gymnasiums in Begleitung ihrer Kurslehrerinnen und Kurslehrer Frau Hilss, Herrn Joos, Frau Pohl und Herrn Tröndle und des Referendars Herrn Ständer in zwei Reisebussen auf den Weg zur Gedenkstätte. Nach einer eineinhalbstündigen Fahrt von Lahr aus erreichten die Geschichtskurse das in den benachbarten Vogesen gelegene ehemalige Arbeitslager.
Vor Ort referierten die Schülerinnen und Schüler und ihre Lehrkräfte über die Geschichte der nationalsozialistischen systematischen Verfolgung, Ausbeutung, Entmenschlichung und Ermordung der deportierten Opfer, die in diesem Konzentrationslager vor allem durch Zwangsarbeit, Unterversorgung, Misshandlungen und gezielte Tötungen im Rahmen pseudo-medizinischer Versuche erfolgte.
Der Bau des Arbeitslagers begann auf Befehl Heinrich Himmlers, Reichsführer der SS, im März 1941. Im September 1940 hatten die Nationalsozialisten im annektierten Elsass unweit der Ortschaft Natzwiller (eingedeutscht Natzweiler) ein Vorkommen von rosa Granit entdeckt. Dieses Granitvorkommen wurde durch die hungernden und entkräfteten Inhaftierten unter unmenschlicher Zwangsarbeit für die großen Bauvorhaben des Dritten Reichs abgebaut. Offiziell eröffnet wurde das KZ Natzweiler am 1. Mai 1941. Im Steinbruch des KZ wurden ab 1943 für den Flugzeugbauer Junkers Demontage- und Reparaturhallen für Flugzeugmotoren eingerichtet. Inzwischen waren die Kriegsbelange von höherer Bedeutung als die Bauvorhaben für das Regime geworden.
Im Februar desselben Jahres wurde im Lager ein Krematorium errichtet, das sich zunächst im ehemaligen Gasthaus „Le Struthof“ befand und im Oktober ins Lagerinnere verlegt wurde. Zwischen 1941 und 1944 führten die Nationalsozialisten im Lager pseudo-medizinische Versuche durch. Im April 1943 wurde in einem Nebengebäude des namensgebenden Gasthauses „Le Struthof“ ca. einen Kilometer entfernt vom KZ zu Versuchszwecken eine Gaskammer eingerichtet. Diese diente der gezielten Tötung einzelner Opfer für medizinische Menschenversuche, nicht jedoch der massenhaften Vernichtung.
Auf beiden Seiten des Rheins begannen die Nationalsozialisten Ende 1942 mit dem Aufbau eines Netzes von ca. 50 Außenlagern des Stammlagers Natzweiler-Struthof. Einige dieser Außenlager arbeiteten im Dienst der SS, der Großteil diente den Kriegsanstrengungen.
In Reaktion auf die vorrückenden Alliierten wurden das Stammlager und die Außenlager westlich des Rheins im September 1944 evakuiert. 11.000 Deportierte, von denen ungefähr 6.000 im Stammlager untergebracht waren, wurden nach Deutschland, hauptsächlich ins bayerische KZ Dachau verlegt. Die amerikanischen Soldaten stießen am 25. November 1944 auf das geräumte Stammlager. Es ist das erste in Westeuropa von den Alliierten entdeckte KZ.
Insgesamt wurden von 1941 bis 1945 52.000 Deportierte aus über 30 Nationalitäten in das Stammlager Natzweiler und die umliegenden dazugehörigen Außenlager verschleppt, wovon 35.000 nicht das Stammlager durchliefen. Von ihnen kamen ca. 17.000 ums Leben, 3.000 davon im Stammlager.
Im Rahmen der außerunterrichtlichen Veranstaltung konnten die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 1 vor Ort dieses dunkle Kapitel der deutschen Geschichte intensiv reflektieren und Fragen an die Geschichte stellen. Die Schülerinnen und Schüler betonten die Bedeutung dieses Ortes für die Erinnerungskultur an die Gräueltaten des Nationalsozialismus. Eine Schülerin brachte ihr Entsetzen darüber zum Ausdruck, wie es möglich sein kann, dass Menschen zu solchen unmenschlichen Taten fähig sind.
Ein Besuch der Gedenkstätte bietet darüber hinaus Anlass, um sich Gedanken über die großen Fragen zu machen, die sich in unserer Gesellschaft stellen, und zwar, wie es um Toleranz, Zusammenleben, Rassismus und Antisemitismus heute bei uns bestellt ist. Denn nach und nach verstummen die Stimmen der ehemaligen Deportierten. Die Gedenkstätte ist Teil der Erinnerungskultur und wirkt dem Vergessen entgegen, damit die Erinnerung lebendig bleibt.
Florian Ständer