Virtueller Besuch von Mainzer Uni-Dozentin

„Außergewöhnlicher Besuch" – Die Geschichte von „Alexander Supertramp" im Spiegel des Films „Into the wild"

Am Freitag, den 5. Februar diesen Jahres hatten die beiden Deutschleistungskurse der Klassenstufe 11 von Herrn Hellberg und Herrn Geier trotz aktueller Corona Situation anlässlich unseres Sternchenthemas Reiselyrik virtuellen Besuch von Frau Dr. Elisabeth Sommerlad, einer Filmgeographin der Universität Mainz.

Anhand der verfilmten Geschichte des jungen Christopher McCandless („Into the wild", 2007) wurde die Ebene der realen Reise aber auch die der inneren Reise ausführlich behandelt, wobei Frau Dr. Sommerlad auch zwei berühmte Philosophen des amerikanischen Transzendentalismus, Vertreter eines Lebens im Einklang mit der Natur thematisierte.

Nach dem Christopher McCandless, Sohn eines wohlhabenden Ehepaares 1990 graduiert, flüchtet er als Aussteiger unter dem Pseudonym „Alexander Supertramp" vor dem verlogenen Dasein der Gesellschaft um in Alaska, der letzten Wildnis, sein Glück zu finden. Von Osten nach Westen führt ihn seine Reise zu Farmern, alten Armee-Veteranen und einem Hippiepärchen entlang seines Selbstfindungsprozesses. Bei seinen Streifzügen durch die Wildnis Alaskas stößt er auf einen verlassenen Linienbus, in den er sich einquartiert und ihn mit der Bezeichnung „Magic Bus" glorifiziert. In Alaska angekommen, vermeintlich das Ziel erreicht, stellt er fest, dass er die Gemeinschaft braucht, um zu überleben. Der Weg zurück ist ihm versperrt, denn den Tekla Nika River, der im Winter gefroren zu überwinden ist, führt im Frühjahr Fluten, die es ihm unmöglich machen sollten, zurückzukehren, sein Schicksal ist besiegelt. Von Hunger geplagt und von Alternativlosigkeit getrieben isst er giftige Schoten (Wild Sweet Pea), die er versehentlich mit wilden Kartoffeln verwechselt und letztendlich zu seinem unumgänglichen Tod führen. „Alexander Supertramp", der sich im Angesicht des Todes wieder als gottesfürchtiger Christ Christopher McCandless identifizieren kann, erkennt die notwendige Bindung der Gesellschaft an und hält sie in Tagebuchaufzeichnungen fest. McCandless wird Ende August 1992 von Elchjägern auf ihrem Weg entlang des Stampede Trail tot aufgefunden.

Wie in Christopher McCandless Begebenheit liegt in der Aufwiegung gegen gesellschaftliche Normen und in Chris Fall besonders gegen seine Eltern die Sinnsuche in der Natur als Spiegel des Menschen, die nicht nur Christopher McCandless leitete, sondern vor ihm viele andere. Allen voran die Philosophen Henry David Thoreau und Ralph Waldo Emerson, die beiden größten Vertreter des sogenannten amerikanischen Transzendentalismus. Der Einklang, den McCandless „Alexander Supertramp" benannte, ging über in einen Konflikt zwischen Zivilisation, der damit verbundenen Abhängigkeit und in der erbarmungslosen Natur. Es liegt eine Dichotomie in den Haupthandlungsorten, die eine Seite als locus terribilis (lat. schrecklicher Ort), verkörpert in der verlogenen Gesellschaft und in dem Idealbild der Natur als locus amoenus (lat. angenehmer Ort). Chris ist auf dem Weg seiner Reise zu sich selbst zerrissen zwischen Christopher McCandless, ein junger Mann verankert im locus terribilis und „Alexander Supertramp", erträumt im locus amoenus. Die Dissonanz, der er sich aussetzt, endet mit dem Tod, in dem er sich als Teil des locus terribilis erlebt, sich ihm zuwendet und seine Zugehörigkeit anerkennt.

Sein Ableben und die damit verbundene Heroisierung hat tausende Touristen zu dem Bus verleitet, in dem er in Alaska zu leben entschied, weswegen er aus Sicherheitsgründen im Juni 2020 abtransportiert wurde. Manch einem erscheint dieser Tod möglicherweise sinnlos, aber war es das doch sein Ziel, nicht etwa Alaska als „last wild", es war er selbst den er suchte, und nur erkennen konnte, als ihm die Möglichkeit entrissen wurde, als solcher zu leben.

Es war eine große Ehre Frau Dr. Sommerlad in einer unserer Videokonferenz begrüßen zu dürfen. Ebenso war es ein wertvoller tiefer Einblick in die Lebensreise einer Rebellion, nach der es gerade jetzt viele verlangt. Christopher McCandless beweist, dass wir einander, präzise die Solidarität untereinander brauchen, um zu überleben und diejenigen, die wir lieben, zu schützen. Das macht eine Geschichte wie die von McCandless zeitlos, allgegenwärtig und in andauernder Pandemie essentialistisch. Unser Bedürfnis nach Glück unter gesellschaftlichen Zwängen folgt uns wie ein Schatten, doch ist es eine seltsame Utopie den Sinn in der Natur zu erhoffen.

Laetitia Graefe, Klasse 11