Erinnern im digitalen Raum

Erinnerung an den Nationalsozialismus im digitalen Raum

Wie kann man ohne große Hürden, jedem zugänglich, modern und angemessen an den Nationalsozialismus erinnern? Gerade in Zeiten der Pandemie und mit einer Erinnerungskultur, die immer mehr im digitalen Raum stattfindet, braucht es einen Ort, der leicht zugänglich an die Verbrechen der Nationalsozialisten erinnert. Diesen haben die Basiskurse Geschichte von Christoph Joos und Florian Hellberg der Jahrgangsstufe 1 des Max-Planck-Gymnasiums in Kooperation mit dem Sankt-Ursula-Gymnasium Freiburg in ihrem Unterrichtsprojekt „Erinnern in einer Kultur der Digitalität" in den vergangenen Wochen geschaffen.

Das Projekt des digitalen Erinnerns sollte darin bestehen, in von unseren Lehrkräften angefertigte 360° Fotos, Informationen und Bildelemente einzufügen, sodass man sich diese in Form einer digitalen Stadtführung zum Gedenken an den Nationalsozialismus auf einer Website ansehen kann. Die Fotos waren an lokalen Gedenkorten, Stolpersteinen und ehemaligen jüdischen Geschäften entstanden und waren Ausgangspunkt für die Aufbereitung und spätere digitale Stadtführung. Zur Vorbereitung bekam jeder Kurs eine „klassische" Führung durch Experten. Jürgen Stude, der Vorsitzende des Fördervereins „Ehemaligen Synagoge Kippenheim e. V.", führte den Kurs von Florian Hellberg durch die ehemalige Synagoge, einem bedeutenden der Ort des Ortenauer Landjudentums. Der Kurs von Christoph Joos wurde von der Lahrer Stadthistorikerin Elise Voerkel auf den Spuren des Nationalsozialismus durch Lahr geführt und der Kurs des Sankt-Ursula-Gymnasiums in Freiburg vom Historiker Dr. Heinrich Schwendemann.

Am 23. 3. starteten wir, der Kurs von Herrn Joos, in das Projekt. Dabei verschaffte uns Frau Voerkel bei unserer Führung von Station zu Station, teilweise unterstützt durch Zitate oder Fotografien, einen Überblick über die Erinnerung an die Zeit des NS in Lahr. Von Stolpersteinen, über den Sitz der NSDAP-Kreisleitung im alten Rathaus bis zum NS-Ausstellungskubus im Stadtmuseum „Tonofenfabrik" wurden uns nicht nur Geschichten einzelner Personen und Personengruppen, sondern auch grundsätzliche Problematiken der Erinnerungskultur offenbart. Jeder machte sich zu seiner Station erste Notizen und nahm Fotos auf. Dabei standen uns die Stadthistorikerin und unser Lehrer für Fragen zur Verfügung.

Im nächsten Schritt befassten wir uns mit bereits vorhandenen Erinnerungsprojekten im digitalen Raum, um uns mit den Herausforderungen, der etwaigen Verfänglichkeit und der Angemessenheit der digitalen Erinnerungskultur auseinanderzusetzen und dadurch die ein oder andere Erkenntnis für unser Projekt zu gewinnen.

Danach war es an der Zeit ein erstes Konzept für unser 360°-Foto zu erstellen und alle dazu nötigen Elemente vorzubereiten. Abgesehen von den Einschränkungen der Software und der Voraussetzung eines kontextualisierenden Informationstextes, durften wir unserer Kreativität freien Lauf lassen. Außerdem wurden uns zusätzlich zu den gesammelten Informationen aus der Stadtführung noch einige weitere Materialien und Quellen zur Verfügung gestellt. In Partnerarbeit stellten wir nun unser Material zusammen und arbeiteten uns in das Programm ein, mit dem die 360° Fotos mit Informationen bestückt werden sollten.

Anschließend trafen sich alle drei Kurse in einer Videokonferenz, in der sich die drei Kurse trotz anfänglicher technischer Schwierigkeiten bei digitalen Rundgängen die fertigen 360° Fotos präsentierten und danach darüber in Diskussion traten.

Zum Abschluss des Unterrichtsprojekts steht nun noch ein Vortrag durch den an der Villa ten Hompel in Münster beheimateten Historiker Michael Sturm an, durch den wir noch tiefer in das Thema Nationalsozialismus eintauchen und zudem einen Einblick in die zunehmende Vereinnahmung von Erinnerungsprojekten durch die sogenannte „Neue Rechte" gewinnen können.

Sich die damaligen Ereignisse in der eigenen Stadt vor Augen zu führen, war für viele eine horizonterweiternde und zweifellos eine wichtige Erfahrung, da der Fokus im Geschichtsunterricht schließlich seltener auf regionalgeschichtlichen Zugängen als viel mehr auf gesamtdeutscher und strukturorientierter Geschichte liegt. Außerdem hat die Auseinandersetzung mit den Herausforderungen der Erinnerungskultur uns alle für einen angemessenen Umgang mit der deutschen Geschichte sensibilisiert. Alles in allem können Projekte wie dieses auch in Zukunft den Geschichtsunterricht bereichern und eine willkommene Abwechslung sein. Auch bieten sie eine gute Möglichkeit einen einfach zugänglichen Ort des Gedenkens im digitalen Raum zu schaffen, der gerade jüngere Generationen besser erreicht.

 

Mia Wurth und Felicitas Fuchsenthaler, JS 1